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Kurzportrait

Der Einleitungstext und die Texte zu den fünf Ausstellungsbereichen (Texte: Dr. Bettina Blum / Übersetzungen: James Bell)

BRITEN IN WESTFALEN 1945-2017
Ab 1945 waren britische Truppen präsent in Westfalen -
zuerst als Besatzungs-, später als Stationierungskräfte.
In den 1950ern waren es etwa 70.000 britische Soldaten,
die in Deutschland allein oder mit ihrer Familie lebten;
in den 1980ern etwa 55.000. Viele waren in Westfalen,
weil die Region eine Reihe von Garnisonsstädten hat.

Die britischen Familien leben in eigenen Gebieten,
nah an deutschen Siedlungen, aber dennoch autark -
mit eigenen Geschäften, Ärzten, Schulen und Kinos.
Konnte man sich unter diesen Bedingungen kennenlernen?
Welche Bilder hatten Deutsche und Briten voneinander?

Britische Militärangehörige werden regelmäßig versetzt
und verlassen in den nächsten Jahren Deutschland.
Das Unterwegssein prägt das Leben und die Beziehungen
und spiegelt sich auch im Ausstellungskonzept wieder:
Die Objekte liegen in Umzugskisten statt in Vitrinen,
Erinnerungsstücke aus schönen und schweren Zeiten.

Fast 200 Menschen haben die Ausstellung mitgestaltet,
Wissen, Erinnerungen, Fotos und Objekte eingebracht:
Briten und Deutsche, Junge und Alte, Frauen und Männer,
Militärs und Zivilisten - ihnen allen gilt unser Dank.
Wir laden Sie ein, beizutragen und mitzudiskutieren:
Was war in diesen 72 Jahren wichtig - und was bleibt?

1 Sieger und Besiegte
Britische und amerikanische Truppen eroberten Westfalen,
nach und nach besetzten sie ab Ende März 1945 alle Orte
übernahmen die Regierung und beendeten so den Krieg.
Großbritannien, Frankreich, die USA und die UdSSR
teilten Deutschland in vier Besatzungszonen auf;
Westfalen gehörte zur britischen Besatzungszone.
Die Control Commission for Germany (British Element)
war für Regierungs- und Verwaltungsaufgaben zuständig
und hatte Dienststellen in Berlin und in Ostwestfalen.

Von Deutschland sollte nie wieder ein Krieg ausgehen.
Großbritannien, Frankreich und die USA versuchten daher,
in den Besatzungszonen vier zentrale Ziele zu erreichen:
Die Zonen wurden dezentralisiert und entmilitarisiert,,
Nationalsozialisten sollten keine Macht mehr haben und
Deutschland sollte demokratisch aufgebaut werden.

Zunächst waren Briten Deutschen gegenüber vorsichtig,
denn sie rechneten noch mit bewaffnetem Widerstand.
Viele Deutsche betrachteten die Briten als Besatzer,
manche aber auch als Befreier und bald als Freunde.

2 Miteinander leben
Deutsche und britische Lebenswelten waren oft getrennt,
dennoch gab es Möglichkeiten, sich kennenzulernen.
Viele Begegnungen fanden bei der täglichen Arbeit statt.
Die britischen Streitkräfte als große Arbeitgeber
hatten nach Kriegsende etwa 4.500 Zivilbeschäftigte –
allein in Paderborn und Umgebung ¬–, 1958 noch 3.000,
Anfang der 1990er 1.600 und 2013 waren es etwa 750.

Briten und Deutsche trafen sich auch in der Freizeit.
Bald nach Kriegsende spielten sie zusammen Fußball,
sangen im Chor oder feierten gemeinsam Schützenfest,
hörten dieselbe Musik und trafen sich in Jazzclubs.
Dadurch veränderten sich auch die Bilder voneinander,
Freundschaften und Liebesbeziehungen konnten entstehen.

Discos und Kneipen waren wichtige Begegnungsorte,
aber hier konnte es auch zu schweren Konflikten kommen,
die das deutsch-britische Verhältnis stark belasteten.

3 "Klein London"
Ab den 1950er Jahren entstanden britische Siedlungen –
„Klein London“ hießen sie bei manchen Deutschen –;
nun wohnten Deutsche und Briten stärker getrennt.
Was in den Siedlungen und hinter Kasernenmauern geschah,
blieb deutschen Nachbarn verborgen – eine fremde Welt;
wir laden ein, die Fremde vor der Haustür zu entdecken.

Das Leben im Camp folgt ganz eigenen Gewohnheiten;
Gemeinschaften auf Zeit mit wechselnden Bewohnern,
denn die meisten werden alle zwei, drei Jahre versetzt.
Weil die Camps überall sehr ähnlich organisiert sind,
und es ähnliche Möglichkeiten und Angebote gibt,
finden sich alle an den neuen Orten schnell zurecht.

Das Leben in der Armee ist von Traditionen geprägt,
Regimenter unterscheiden sich und stehen in Konkurrenz.
Nach der Arbeit gehen manche Soldaten gern in die Stadt,
andere bleiben am liebsten unter sich und im Camp.
Wie erleben britische Soldaten und Familien Westfalen?

4 Militär in der Gesellschaft
Wo trat das britische Militär in die Öffentlichkeit,
wie standen Militär und Zivilgesellschaft zueinander?
Es gab und gibt gesellschaftliche Debatten um die Senne,
die Rolle des Militärs bei Manövern und Kriegseinsätzen
sowie die Art seiner Präsentation in der Öffentlichkeit.
Es gab nicht nur eine deutsche und britische Haltung,
sondern es existierten viele verschiedene Positionen.

Das britische Militär organisierte auch Veranstaltungen,
die zu Orten deutsch-britischer Begegnung wurden.
Am bekanntesten wurde die Rhine Army Summer Show,
die viele Deutsche und Briten jährlich besuchten.

5 Was bleibt?
1990 veränderte sich Europas militärische Landschaft,
der Kalte Krieg war vorbei. Das russische Militär zog ab,
die Westmächte blieben als NATO-Truppen zunächst hier.
1994 wurde BAOR (British Army of the Rhine) umbenannt
in BFG (British Forces Germany) und die Stärke reduziert.
2010 beschloss die britische Regierung das Aus für BFG:
Nach und nach wurden fast alle Standorte aufgelöst;
die restlichen Truppen konzentrierten sich auf Westfalen
und auch das Hauptquartier zog vom Rhein nach Bielefeld.

Der Truppenabzug hat gravierende Folgen für die Städte,
in denen Arbeitsplätze und Kaufkraft verloren gehen,
Freie Kasernenflächen eröffnen aber auch Chancen,
städtisches Leben neu und bewusst zu gestalten.

Für viele Deutsche und Briten ist der Abzug traurig,
denn dadurch verlieren sie Freunde und Bekannte.
Einige deutsch-britische Organisationen lösen sich auf.
Für viele Militärfamilien ist Deutschland eine Heimat,
manche sind in der dritten Generation hier stationiert.
Wie können die Beziehungen weitergehen?

Steckbrief

Für alle, die die Ausstellung im Stadtmuseum Paderborn nicht gesehen haben, und für alle, die sich noch einmal erinnern möchten, gibt es hier einen virtuellen Gang durch die Ausstellung.
A "virtual tour" of the exhibition for those of you, who were unable to view the exhibition in Paderborn or who may wish to reminisce.

Hintergrund

The introduction texts of the exhibition (Texts: Dr. Bettina Blum / Translations: James Bell)

THE BRITISH IN WESTPHALIA, 1945-2017
As of 1945 British troops were present in Westphalia,
first as occupation forces and then as stationed ones.
In the 1950s there were some 70,000 British soldiers
living in Germany, in barracks or with their families;
in the 1980s it was about 55,000. Many were in Westphalia
for the region was the site of several garrison towns.

The British families live in their own areas, near
German neighbourhoods but nonetheless self-sufficient,
with their own shops, health care, schools and cinemas.
Was it possible under these conditions to get to know
one another? How did Germans and British view each other?

British military personnel are regularly relocated and
they all will leave Germany in the next few years.
Being on the move marks their lives and relationships,
and this is reflected in the concept of this exhibition,
with the objects in removal boxes instead of cabinets.
Mementos from good times and from hard times.

Almost 200 people have helped to realize the exhibition
and contributed knowledge, memories, photos and objects:
Britons and Germans, young and old, women and men,
members of the military and civilians. We thank you all.
We invite visitors to add ideas and join the discussion:
What was important in these 72 years – and what remains?

1 The Victors and the Vanquished
British and American troops conquered Westphalia,
gradually occupying all towns as of late March 1945
and taking over the government, thus ending the war.
The Allies – Great Britain, France, the U.S. and the USSR,
decided to divide Germany into four occupation zones,
with the area of Westphalia located in the British zone.
The Control Commission for Germany (British Element)
was responsible for government and administrative duties
and had offices in Berlin and East Westphalia.

Germany was never again to be the source of war.
Great Britain, France and the U.S. therefore sought to
achieve four main objectives in their occupation zones:
the zones were to be decentralised and demilitarised,
National Socialists were to be stripped of all power,
and Germany should become a democratic state.

Initially the British were wary of the Germans
because they expected continued armed resistance.
Many Germans regarded the British as occupiers:
some, though, as liberators, and soon as friends.

2 Living Side by Side
Germans and Britons often lived in separate worlds,
but there were possibilities to get to know one another.
Many people met as colleagues during daily work.
As important employers, the British armed forces
had some 4,500 civilian employees after war’s end,
just in Paderborn and vicinity, and 3,000 still in 1958.
They numbered 1600 in the early 1990s and 750 in 2013.

Britons and Germans also met in their leisure time.
Soon after the war they played football with each other,
sang in choirs, joined in celebrating Schützenfest,
shared tastes in music, and met up in jazz clubs.
This changed their image of one another, making it
possible for friendships and love relationships to form.

Discos and pubs were important for getting together,
but could also become the scene of major conflicts
that seriously strained Anglo-German relationships.

3 "Little London"
British “married quarters” were built as of the 1950s.
Known by some Germans as “Little London”, the estates
led to the Germans and Britons living more separately.
What went on there and behind barracks walls remained
concealed from German neighbours – a foreign world.
We invite you to discover the unknown on the doorstep.

Life in the British communities (camps) has its customs.
These are temporary ones with changing residents,
for most people are relocated every two or three years.
As everywhere camps are organised in a similar way,
offering similar opportunities, services and facilities,
everyone quickly feels at home at their new posting.

Life in the army is shaped by traditions. The regiments
set themselves off from and compete with each other.
After duty some soldiers like to go into the city,
others prefer to remain amongst themselves and in camp.
How do soldiers and families experience Westphalia?

4 The military in Society
Where did the British military appear in public and what
was the relationship between the military and civil society?
There were and are societal debates about the Senne and
about the military’s role in exercises and war missions,
as well as about how it was represented in public.
There was not just a German and a British standpoint,
but rather many different positions.

The British military also organised events that became
the scene of Anglo-German contacts. The best known
of these became the Rhine Army Summer Show, which
many Germans and Britons attended each year.

5 What Remains?
In 1990 Europe’s military landscape changed; the Cold
War was over. The Russian military withdrew; the
Western Powers remained for the present as NATO troops.
In 1994 the BAOR (British Army of the Rhine) was renamed
BFG (British Forces Germany) and troop numbers reduced.
In 2010 the British government decided to disband BFG.
Step by step almost all locations were wound down,
with the remaining troops concentrated in Westphalia and
the headquarters also moving from the Rhine to Bielefeld.

The troop demobilisation seriously impacted the cities,
which lost places of employment and purchasing power.
But the vacated barracks space also offers opportunities
for a well-considered reshaping of urban life.

For many Germans and Britons the departure is a sad event,
for they will lose friends and many acquaintances.
Some Anglo-German organisations are closing their doors.
Germany is a home for many military families, with some
having been stationed here now for three generations.
How can the relationships be maintained?